
Um das Gesamtbild über „Breathwork“ zu ergänzen, berichtet Eva Steininger (Yogalehrerin und Physiotherapeutin) im folgenden Artikel über die Atemtherapie in der Physiotherapie. Ich, Lena, hatte wieder spannende Erkenntnisse – ich hoffe, Du auch!
Der respiratorische Kreislauf (= Atemkreislauf) ist essenziell für die Erhaltung und Gesundheit des menschlichen Körpers. Der gesamte Organismus wird so mit Sauerstoff versorgt, aber die Lunge ist zusätzlich eines der wichtigsten Organe zur Entgiftung.
Atemtherapie wird in der Regel bei Ventilationsbeschwerden der Lunge eingesetzt, was oft – aber nicht nur – bei Atemwegserkrankungen der Fall ist.
Wo findet Atemtherapie statt?
Die Therapie kann im Krankenhaus stattfinden, zum Beispiel nach Operationen, oder auch bei (temporärer oder langfristiger) Immobilität (= hier: Bettlägrigkeit). Atemtherapie kann aber auch Teil einer ambulanten Therapie sein. Sie kann den Hauptteil der Therapie ausmachen oder ergänzend eingesetzt werden.
Wie kommt es zur Notwendigkeit der Therapie?
Atemwegserkrankungen werden in obstruktive und restriktive Erkrankungen eingeteilt. Der Unterschied liegt darin, ob die Einschränkung durch eine Restriktion von außen (also z.B. Dehnbarkeit des Brustkorbes eingeschränkt) oder durch eine Obstruktion der Atemwege selbst (z.B. Asthma – Atemwege durch Anschwellen und vermehrte Schleimproduktion verengt) verursacht wird.
In der Neurologie kann die Atmung z.B. nach Schlaganfällen (häufig eine Seite des Zwerchfells gelähmt), aber auch bei degenerativen neurologischen Erkrankungen wie z.B. ALS, MS oder Gehirntumoren beeinträchtigt sein. Es geht hierbei darum, die lebenswichtigen Körperfunktionen, darunter auch die Atmung, so lange als möglich zu erhalten und dem Fortschreiten der Erkrankung entgegen zu wirken.
Wie kann die Atemtherapie aussehen?
Die Therapie richtet sich dabei je nach der Ursache der Beschwerden. Das kann von sehr einfachen Atemübungen, Entspannungsübungen und leichtem Herz-Kreislauftraining bis hin zu spezifischem Krafttraining für das Zwerchfell führen. Auch eine Massage der Atemhilfsmuskulatur kann notwendig sein, wenn diese z.B. durch Überanstrengung verspannt ist. Das passiert, wenn die Atmung stark erschwert ist oder wenn das Zwerchfell – aus welchem Grund auch immer – zu wenig arbeitet oder nicht genug Spielraum hat um zu arbeiten.
Spannende Zusammenhänge
Die Atemhilfsmuskulatur beinhaltet die Zwischenrippenmuskulatur, aber auch einige Muskeln im Bereich des seitlichen Nackens und der Schlüsselbeine, des Schultergürtels und des Rückens. Somit kann auch bei verspannter Nackenmuskulatur ein Training des Zwerchfells sinnvoll sein, um die überanstrengte Nackenmuskulatur zu entlasten. Voraussetzung ist hierfür jedoch, dass die Verspannung aufgrund eben jener zuvor genannten dysfynktionellen Atmung entstanden ist.
Da das Zwerchfell den nervlichen Impuls (Innervation) aus einem Nervenstrang bekommt, welcher zwischen dem 3. und 5. Halswirbel entspringt, empfiehlt es sich, bei Beschwerden der Halswirbelsäule in diesem Bereich auch das Zwerchfell zu begutachten, und umgekehrt.
Auch kann es vorkommen, dass der Beckenboden gekräftigt werden muss. Dieser spannt bei jeder Ausatmung an, und entspannt bei jeder Einatmung, um den Organen im Abdomen (= Bauchraum) Platz zu machen, welche durch das vergrößerte Lungenvolumen vom Zwerchfell nach unten gedrückt werden. Ist der Beckenboden zu schwach, kann z.B. das Abhusten von Schleim erschwert oder unmöglich sein, da bei jedem Husten großer Druck auf den Beckenboden kommt.
Da das Zwerchfell und der Beckenboden gemeinsam mit Bauch- und Rückenmuskulatur die so genannte Rumpfkapsel bilden, spielen sie auch in der Atemtherapie eine entscheidende Rolle. Kräftigung und Dehnung der Bauch- und Rückenmuskulatur kann also ebenso ein Teil der Therapie sein.
Im Großen und Ganzen setzt sich die Atemtherapie in der Physiotherapie aus folgenden Teilbereichen zusammen:
– Lagerung passend zum Krankheitsbild: je nachdem, wie man sitzt oder liegt, kann die Atmung erleichtert oder erschwert werden
– Verbesserung der Ventilation (= Belüftung): durch spezifische Atemübungen oder den Einsatz von Übungsgeräten
– Entspannungstechniken: durch die Regulierung des Nervensystems kann die Atmung erleichtert werden
– Sekretmobilisation: zähen Schleim verflüssigen, mobilisieren und Erleichterung des Abhustens
– Brustkorbmobilisation: kann aktiv durch Übungen und/oder passiv durch den/die Therapeut:in erfolgen
– Selbstmanagement: beinhaltet Maßnahmen, um das alltägliche Leben der Patient:innen so angenehm und effizient wie möglich zu gestalten
Für viele Patient:innen sind erfahrungsgemäß zumindest Elemente aus der Atemtherapie sinnvoll. Selbst wenn nicht offensichtlich eine Atemwegserkrankung oder Beschwerden bei der Atmung direkt vorhanden sind, können Patient:innen mit beispielsweise Nackenverspannungen, Rückenschmerzen, Beschwerden des Schultergürtels oder sogar des Beckenbodens von Elementen der Atemtherapie profitieren und ihr Wohlbefinden damit steigern.
Eine meiner Patient:innen, welche an Obstipation (= Verstopfung) litt, jedoch auch aufgrund anderer Beschwerden bei mir war, konnte unter anderem durch Entspannungs- und Atemtechniken ihre Verdauung anregen und sich somit Linderung verschaffen.
Breathwork für gesunde Menschen
Das Zwerchfelltraining kann aber auch bei gesunden Menschen oder Menschen ohne diagnostizierte Atemwegserkrankungen zu einer Leistungssteigerung des kardiorespiratorischen Systems führen. Somit kann die Atemtherapie auch als wichtiges präventives Mittel eingesetzt werden.
Für mich persönlich sind Atemübungen eine großartige Möglichkeit, mit wenig Aufwand große Veränderungen zu bewirken. Deshalb ist es mir besonders wichtig, das Bewusstsein dafür zu stärken und mehr Menschen zu motivieren, Atemtechniken in ihr regelmäßiges Übungsprogramm – egal ob zur Prävention oder zur Verbesserung von Beschwerden – aufzunehmen.

Eva Steininger ist Physiotherapeutin, Yogalehrerin und Lehrerin für Englisch und Musik. Wenn sie nicht gerade auf Reisen ist und/oder ihrer Liebe zur Bewegung nachgeht, findet man sie in Eferding, in der Nähe von Linz – wahrscheinlich in der Nähe von Tieren oder singend oder beides.