
Die Methoden von Breathwork

Gerade wurde mir wieder ein Breathwork-Angebot in meinen Insta-Feed gespült, das ich für sehr gefährlich halte. Breathwork ist ein ebenso breites Feld wie Yoga – es gibt ganz viele unterschiedliche Techniken. Damit Du Dich besser im Atem-Dschungel orientieren kannst, versuche ich, ein bisschen Struktur ins Angebot zu bringen.
Ich komme am besten damit zurecht, die momentan kursierenden Techniken in drei große Bereiche einzuteilen:
- Physiotherapie
- Traumatherapie
- Pranayama
Es gibt natürlich noch weitere Techniken und die Grenzen sind wohl teilweise verschwimmend. Aber zuerst mal ein bisschen mehr zu den einzelnen Bereichen.
Physiotherapie
In der Physiotherapie geht es darum, Menschen dabei zu unterstützen, ihre Gesundheit wieder zu erlangen, schmerzfrei zu sein und ihren Alltag gut meistern zu können. Was den Atem betrifft, kommt das z.B. nach Operationen oder Krankheiten zum Tragen. Wenig hilfreiche Atemmuster werden dann mit Hilfe der therapeutischen Übungen verbessert und die Patienten können ihr Lungenvolumen länger erhalten. Das bedeutet nicht nur, dass sie schneller wieder fit werden, sondern auch allgemein Lebensqualität. Wenn das Atmen schmerzt oder man dauerhaft das Gefühl hat, zu wenig Luft zu kriegen, ist das schließlich wirklich sehr beeinträchtigend.
Um Euch hier einen guten Einblick geben zu können, habe ich uns eine Gastautorin organisiert! Sie arbeitet sowohl als Physiotherapeutin als auch als Yogalehrerin viel mit dem Atem und wird uns in einem der nächsten Blog-Artikel aus Profi-Sicht erklären, wie die Physiotherapie hier wirken kann.
Traumatherapie
In der Traumatherapie werden Atemechniken teilweise dafür verwendet, starke Emotionen zu provozieren, diese aus dem Körper zu lösen und dann therapeutisch aufzuarbeiten. Da die Techniken einfach sind (z.B. langes Hyperventilieren zu intensiver Trommelmusik), wird dabei die Aufgabe des/der Therapeuten/in oft übersehen oder/und unterschätzt. Trainer:innen glauben, dass sie nach einer kurzen (oder ohne) Ausbildung Menschen wirklich in diesem Prozess begleiten können.
Früher sind viele Menschen betrunken mit dem Auto gefahren und es ist vergleichsweise wenig passiert. Das kann aber nicht das Argument sein, jetzt noch betrunken zu fahren und sich selbst und andere zu gefährden. Nur weil viele Teilnehmer:innen keine Probleme nach dem Hyperventilieren haben, bedeutet das nicht, dass nichts passieren kann.
Langes Hyperventilieren kann retraumatisieren, dissoziative Zustände und psychotische Episoden auslösen. Ich weiß von Menschen, die nach einer intensiven Einheit “Conscious connected breath” lange (mehrere Monate) nicht arbeiten konnten, weil sie retraumatisiert wurden. Von Menschen, die wochenlang verwirrt waren, weil sie das Erlebte nicht einordnen konnten. Von Menschen, die sogar noch begleitet wurden, deren Zustand sich aber durch die Gespräche mit unqualifizierten Trainer:innen noch verschlechtert hat.
Wenn Du diese Techniken ausprobieren möchtest, frage nach der Intensität! Wenn Du keine Herausforderungen mit Deiner mentalen Gesundheit kennst, 30 Minuten sanfte Musik gespielt wird und Du z.B. mit einer Fantasiereise begleitet wirst, die sich auf das Erleben von Positivem fokussiert, kann das tolle Effekte haben, ist aber relativ (!) ungefährlich. Sobald die Musik das Erleben verstärken soll und es das Ziel ist, dass Du starke Emotionen hast oder sogar Trauma getriggert wird, achte auf die langfristige Begleitung durch ausgebildete Psychotherapeut:innen.
Pranayama
Pranayama – das Lenken und Vermehren von Prana (= Lebenskraft) – sind die Atemübungen im Yoga. Diese sind größtenteils recht sanft. Das Problem daran: Ein Mensch, der seinen Körper nicht gut wahrnehmen kann, wird bei sanften Techniken trotz der positiven Effekte auf den Körper eher nicht dran bleiben, weil er diese nicht spürt und vielleicht glaubt “es bringt nix”.
Starke Techniken bedeuten dann aber wieder ein gewisses Risiko, dafür kann man eher Veränderung der körperlichen und/oder geistigen Empfindung wahrnehmen. Das ist für mich übrigens auch der Grund, warum das System von Wim Hof so gut ankommt. Es ist eine relativ starke Technik, die von Bhastrika (einer Atemübung, die wir aus dem Yoga kennen) ausgeht. Die Effekte sind für sehr viele Menschen deutlich spürbar. Die sanften Techniken hingegen bringen immer Vorteile für den Körper, brauchen aber mehr Sensibilität, um wahrgenommen zu werden.
Die Atemübungen im Yoga sind für Menschen gedacht, die ihre Gesundheit erhalten oder noch verbessern möchten. Da zähle ich mich dazu und konnte tatsächlich super Ergebnisse bei der Tauchtauglichkeitsuntersuchung erzielen, die ich regelmäßig machen muss. Von 87% Vitalkapazität (das ist – einfach gesagt – die Luft, die die Lunge auf einmal verarbeiten kann) im Jahr 2008 auf 110% bei der letzten Untersuchung im August 2024.
Warum ist es notwendig, Breathwork in Bereiche einzuteilen? Ich sehe es als problematisch an, dass der Begriff so unterschiedliche Methoden und Ziele beinhaltet. Im Endeffekt weiß man nie, was man kriegt, wenn man einen “Breathwork-Workshop” bucht. Und ich hab dafür leider auch keine Lösung, außer den Rat: Lies’ Dir gut durch, was der Inhalt des Workshops ist und wie der/die Trainer:in arbeitet. Lass’ Dich nicht von Versprechungen und fancy Begriffen zu Dingen verleiten, die Du gar nicht möchtest. Achte gut auf Dich!
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